Montag, 19. September 2011

148. Die Kathedrale - und ihre andere Seite

Eintrag Nummer 148: Die Kathedrale - und ihre andere Seite

Um das "Finale" meines Jakobswegs hier im Blog nicht leichtsinnig zu gefaehrden, muss ich zugeben, hab ich in den finalen Eintraegen ein paar Beobachtungen uebersprungen, die ich jetzt allerdings noch nachreichen will.

Einfach, um wirklich mein komplettes, subjektives Bild zu beschreiben und nicht nur das, was vielleicht sowieso jeder erwartet hat.

Kritik und Skepsis sollten zwar nicht immer ueberall wichtig sein, blauaeugig und naiv durch die Welt gehen ist und bleibt aber trotzdem im Zweifelsfall schlimmer.


Zu allererst das nervigste ueberhaupt, ueberall, um die Kathedrale herum: Die Leute, die von einem Geld wollen!
Ob es sich um Behinderte, Arme, Verkaeufer (Tourischeiss hoch 5), Werber fuer Herbergen (die gecheckt haben, dass nach dem heiligen Jahr 2010 ploetzlich wieder weniger Pilger kommen und sie nun doch auf Werbung angewiesen sind) oder sonst wer: Ueberall stehen sie. Und sie nerven.
Nicht, dass ich es nicht verstehe, dass dieser Ort ein perfekter Ort dafuer ist! Pilger brauchen Herbergen, Uebernachtungsmoeglichkeiten, Touristen kaufen Souvenirs etc etc etc - aber ab einem gewissen Punkt nervts einfach nur noch. Und dann betritt man die Kathedrale - und an jeder Ecke hat nun ploetzlich die Kirche ihre Spendentoepfe und Klingelbeutel aufgebaut!

Bevor man aber eigentlich noch in die Kathedrale kommt, ist es schwer, zumindest mit offenen Augen, nicht mit zu bekommen, wie die Polizei gegen die Schwaechsten, in diesem Fall die Bettler, die ja die schoene Atmosphaere vor der Kathedrale durch ihr Betteln kaputt machen, vorgehen, damit die Touristen nicht wieder in die spanische Realitaet zurueck geholt werden.
Betteln darf man ja anscheinend nur bis zu nem gewissen Punkt oder so - aber betrunken darf man dabei nicht sein. Nur betrunken sein ist allerdings wieder ok. Fragt mich nicht!

Bombig zur Stimmung traegt dann auch die spanische "Jugend" bei, die ab und zu, ob nun per Junggesellenabschied oder aus irgendwelchen anderen Anlaessen tanzend, kichernd, schreiend umher springt und Oktoberfeststimmung aufkommen laesst.

Wenn man dann aber doch endlich in der Kathedrale ist, kriegt man erstmal die Verbotsschilder um die Ohren gehauen. So ungefaehr Alles ist verboten. Ein Cap-Verbots-Schild hats zwar nicht gegeben, trotzdem ist ein uebereifriger Moench direkt auf mich zugestuermt und wollte mir das Ding vom Kopf reissen. Naja. Mirwegen (wuerde Shadow sagen). Fotografieren mit Blitz ist uebrigens auch nicht erlaubt - das wiederum juckt sogar keinen der Aufpasser mehr, jeder macht das. Gibt halt ungeschriebene Gesetze, die peinlich genau eingehalten werden - und geschriebene Gesetze, die egal sind.

An den Seitenwaenden sind dann viele Beichtstuehle fuer die Pilger, aber auch andere, bereit gestellt. Gut, ist ne verstaendliche Sache. Ich kann mir vorstellen, dass jemand, der den Jakobsweg hinter sich hat, jetzt noch beichten will - um sich dann noch besser und befreiter zu fuehlen. Das Irrwitzige daran: In fast jedem Beichtstuhl sitzt schon ein Pfarrer bereit. Und bloederweise hatte ich sofort nur noch ein Bild im Kopf, das den Pfarrern im Beichtstuhl, zumindest denjenigen, die nicht beschaeftigt sind, zum Verwechseln aehnelt: Die zwei Opas aus der Sesamstrasse, die, immer auf dem Balkon sitzend, so allerlei zu erzaehlen und zu meckern haben.

Eher in die Kategorie "Kurios" faellt die Beobachtung von 1 Moench und einer Putzfrau, die zusammen vor einer vergitterten Statue stehen. Sie putzt nicht, er tut auch nix. Sie unterhalten sich nichtmal wirklich. Mich hat das irgendwie an "Die Thomas Crown Affaere" (oder so, mit dem einen James-Bond-Darsteller) erinnert. Als ob die gerade dabei sind, einen sensationellen Diebstahl durchzufuehren. Echt kurios, die zu beobachten, waehrend sie einfach nix machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so geplant ist.

Dann die Touris! Teilweise einfach alles fotografierend (davon abgeschreckt hab ich dann uebrigens entschieden, genau deswegen kein einziges Foto in der Kathedrale zu machen), dazu teilweise ihre Kopfhoere mit informativen Kassetten (sicherlich irgendwo fuer paar Euros zu vermieten), ueberall stauennd und mit halb offenen Mund, Graeber als "schon schoen, oder?" bezeichnend - und trotzdem so rein gar keine Ahnung haben.

Wenn man sich dann dazu noch ganz kurz vor Augen fuehrt, wie viel Geld in diese Kirche gepumpt wurde und wird, realisiert, was damit alternativ Gutes auf der Welt gemacht werden koennte, wird die Situation insgesamt einfach irgendwie traurig.

Zugegeben - ich bin hier schon sehr kritisch, beobachte genau und skeptisch. Zudem bin ich sicher kein Fan der Institution Kirche. Dennoch kann ich mir, glaub ich, nicht vorwerfen lassen, auch den Rest des Jakobsweg kritisch unter die Lupe genommen zu haben.

"Der Weg ist das Ziel" haben schon viele gesagt. Und das gibt Hoffnung. Man kann auch ohne falsche Respektbekundungen gegenueber der Kathedrale einen guten, erfolgreichen, sinnvollen und inspirierenden Jakobsweg gelaufen sein.
Jawohl.

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