"Hi!
Als ich vor einem Jahr begann, nicht mehr mit der U-Bahn zur Krautreporter-Redaktion zu fahren, sondern den Weg zu gehen, wagte ich ein Experiment.
Auf meinem sechs Kilometer langen Hin- und Rückweg begegneten mir immer wieder dieselben Menschen: Die vier Handwerker vor dem Haus in der Reichenbergerstraße, der übel gelaunt aussehende junge Mensch, der stets den gleichen Fila-Pulli trug. Die Mutter, die mir immer zur selben Zeit mit zwei Kindern entgegenkam, und der ältere Herr mit kleinem Hündchen, an der Ecke, kurz vor dem Büro.
Diese Leute kamen mir wahnsinnig unsympathisch vor. Alle! Niemals würde ich nur ein Wörtchen mit denen reden, sagte ich mir, während ich die Jacke zuzog und genervt vom Straßenlärm meine Strecke schlenderte.
Doch an einem Morgen im Juli kam mir ein Gedanke: Wie wäre es, diese Leute zu nerven, indem ich fake-freundlich grüßte? Als Kind hatte ich aus dem Auto heraus wildfremden Menschen gewinkt und so getan, als ob ich sie kenne. Das wollte ich erneut probieren.
Also grüßte ich und sagte zu Beginn gelegentlich, aber irgendwann jeder Person, die mir begegnete: „Moin!“ Dabei schaute ich allen grinsend ins Gesicht und tat so, als seien sie alte Bekannte. Ich wohne in Berlin und in Berlin grüßt man niemanden, also rechnete ich mit Ignoranz.
Aber: Die Leute grüßten zurück, als ob wir alte Bekannte wären! „Grüß dich“, meinte einer der Handwerker. „Ja, moin“, säuselte eine ältere Dame unter ihrem Schirm. Der Mann mit Hündchen winkte sogar.
Da begann mir die ganze Sache Spaß zu machen und aus meinem Vorhaben, diese Leute zu nerven, wurde ein kleiner Kick guter Laune alle 300 Meter. Aus meinem Fake-Lächeln wurde ein echtes, nach ein paar Wochen winkten und lächelten viele schon von Weitem.
Ich war so stolz, dass ich meinen Kollegen davon in der Redaktion erzählte. Isolde meinte sinngemäß: „Waaas? In dieser Stadt ist das fast ein Wunder!“"
Für Interessierte gibts hier mehr:
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Dienstag, 26. August 2025
Martin von den Krautreportern erzählt:
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